Adolf Keller
ADOLF KELLER ist am 13. Juni 1897 in Freiburg geboren worden. Seine Eltern sind Franz Keller und Anna geb. Schmalz. Er hat zwei ältere Brüder: URBAN KELLER 345 und Gustl. Alle Jungen sind katholischen Glaubens.
Er ist seit August 1922 verheiratet mit Kreszens Keller geb. Menz, die am 7. Dezember 1895 geboren und von Beruf Hausfrau ist. Das Ehepaar bekommt 4 Töchter: Mathilde geb.1923, Josefine geb.1924, Lotte geb.1927 und Olga geb.1927. Die Familie wohnt in der Sautierstraße 30.
ADOLF KELLER erlernt das Schuhmacherhandwerk, absolviert die Meisterprüfung mit Erfolg und lässt sich 1921 als selbständiger Schuhmachermeister in Freiburg nieder. Die Werkstatt befindet sich im Schänzleweg 3. Mit dem monatlichen Einkommen von 150-250 Mark lebt die Familie in bescheidenen, aber gesicherten Verhältnissen.
Mit der „Machtübergabe“ an die Nationalsozialisten 1933 wird auch die politische Heimat ADOLF KELLERs zerstört: Bereits im Februar 1933 verbietet die neue Regierung die linken Parteien KPD und SPD und stellt deren Aktivitäten unter Strafe. Natürlich fallen darunter auch die Beschaffung, der Transport und die Verbreitung kommunistischen „Propagandamaterials“, das „illegal“ – also in minutiös ausgedachter Gruppenstrategie aus der Schweiz über die Grenze geschafft und in verbreiteten Kanäle verteilt wird. Das wird ein wichtiger Teil des politischen Widerstands gegen Nazi-Deutschland sein. In diesem komplizierten Teilnahmegeflecht spielt ADOLF KELLER eine wichtige, aber für ihn höchst lebensgefährliche Rolle.
Am 7. Juli 1935 wird er mit seinem Bruder URBAN KELLER und einem weiteren Genossen von der Gestapo verhaftet und in das Landesgefängnis Freiburg eingeliefert. Zuerst als „Schutzhaft“ deklariert, wird diese Inhaftierung eine Woche später zur Untersuchungshaft erweitert und bis zum 30.12.1935 ausgedehnt, weil gegen ihn wegen des Verdachts auf Hochverrat nachgegangen werden müsste. Fast ein ganzes Jahr dauern die Untersuchungen an, in welcher Zeit ADOLF KELLER die Gefängniszellen von Stuttgart, Karlsruhe und Berlin kennenlernen muss.
Am Tag der Verhandlung: Das Urteil des 2. Senats des VGH (Volksgerichtshofs) Berlin ergeht am 29.10.1936 und verhängt gegen ihn wegen seines „hochverräterischen Unternehmens“ gemäß zahlreicher Paragraphen die Strafe von 5 Jahren Zuchthaus, 5 Jahren Ehrverlust und die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht, „weil er sich illegal für die KPD betätigt hatte“. Ein Jahr muss ADOLF KELLER in den Gefängnissen von Berlin/Plötzensee und Ludwigsburg verbringen; dann warten 2,5 Jahre des später als KZ-Haftanstalt anerkannten Aschendorfer Moores (Emsland) mit seinen „speziellen“ Haftbedingungen auf ihn. Dabei werden seine handwerklichen Fähigkeiten als Schuhmacher ihm und seinen Leidensgenossen beim Überlebenskampf noch nützlich sein.
Während der Haftzeit erhält seine Familie ganze 65 Mark Unterstützung im Monat.
Dann endlich (trotz des Krieges) die erfreuliche Nachricht: „Mit Erlaß des Herrn Justizministers vom 20.3.1940 […] ist dem Verurteilten sofortige Strafunterbrechung und Aussetzung des Strafrestes mit Bewährungsfrist bis 31.8.1943 bewilligt worden; die Unterbrechung der Strafvollstreckung erfolgte am 22.3.1940. Mit Verfügung des Herrn Oberreichsanwaltes beim VGH vom 15.5.1943 ist die Reststrafe erlassen worden […].
Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Freiburg, 4.1.1946“.
ADOLF KELLER kann nach Freiburg zurückkehren.
Über eine unmittelbare Fortführung seiner Schuhmacherwerkstatt ist uns leider nichts bekannt. Dagegen muss er im „Volkssturm“ noch 4 Wochen bis zum Ende des Krieges dabei sein. Eine ärztliche Behandlung ist seit seiner Entlassung aus dem Moor 1940 dringend notwendig geworden.
Erneute Rückkehr nach Freiburg: Wie tritt man einem derart verfolgten Bürger der Stadt gegenüber? Durch die Betreuungsstelle der Opfer des NS in Freiburg wird auch für ihn die nach dem Krieg erfolgte „Wiedergutmachung“ wesentlich erleichtert. Zunächst einmal erfolgt am 7.2.1950 die Tilgung der Strafe vom 29.10.1936 durch die Badische Staatsanwaltschaft Freiburg: „Laut Mitteilung des Badischen Justizministeriums (franz. Besatzungsgebiet) – Straftilgungskommission in Freiburg vom 4.6.1946 wurde die Tilgung obiger Strafe gemäß der allgemeinen Anordnung der Militärregierung in Baden (franz. Zone) vom 31.10. 1945 Nr. 7310/726/45 Just/JA angeordnet, da die Verurteilung wegen einer politischen Straftat erfolgte“.
Wesentlich länger und schwieriger gestaltet sich der Komplex der Entschädigungen. Waren die Schäden an Freiheit und dem wirtschaftlichen Fortkommen sowie die Soforthilfe bei beruflichem Neustart unbestritten, ergeben sich langwierige Verhandlungen, den Schaden an Körper und Gesundheit betreffend. Erst eine einsichtsvollere Anerkennung des Aschendorfer Moores als KZ-Lager durch die Behörden und mehrere Zeugenaussagen von Mithäftlingen bringen die positive Wende für ADOLF KELLER.
Von nun an müssen seine schweren neuralgischen, rheumatischen Schmerzen nicht mehr „nur altersbedingt/schicksalhaft“ hingenommen werden, sondern sind wesentlich auf die entbehrungsreiche Arbeit im Moor bei Nebel, Nässe und Kälte unter haftgleichen Bedingungen zurückzuführen. In einem Vergleich kann er ab Januar 1972 Rente, Heilverfahren und rückwirkend Kapitalentschädigung erhalten.
Es scheint, dass er nach dem Krieg wieder im eigenen Geschäft als Schuhmachermeister neugestartet und bis 1962 in dieser Funktion verblieben ist. Mehrere anschließende und andersartige Tätigkeiten gibt er bei seiner Befragung selbst an: Bei der Breisgau-Milch, beim Konsum, der Deutschen Bank als „Arbeiter“ und bei Wertkauf als „Schließer“. Ab Februar 1970 dann endgültig in Rente.
Er ist ab 1949 wohnhaft in der Eichhalde 32.
ADOLF KELLER verstirbt am 16. April 1976 im Alter von 79 Jahren in Freiburg.
Zusätze: Der Kampf der Zeugen ! Auf der einen Seite Emil Sehrer, StAF, F 196/1 – 145, als wichtigster ehemaliger Freiburger Mithäftling und Zeuge zugunsten seiner Position bei der Verhandlung 1972. Er ist schon in Ludwigsburg und später im Moor dabei. Ebenso Max Klappenbach, in der Freiburger Schlüsselstr. 10 wohnhaft.
Und die Gegenposition bei der Verhandlung 35 Jahre früher anlässlich seiner Verurteilung: der „Reichsanwalt“ beim „VGH“ teilt mit, dass er zum Beweis, dass Keller auch noch im Mai 1935 einen Koffer mit Material erhalten habe, den Maurer J.G. aus Haltingen als Belastungszeugen geladen habe. Beide Zeugenaussagen sind der Akte entnehmbar – und Adolf Keller verliert das Duell.
Quellen: StAF, F 196/1 – 361; D 180/2 – 22371. Sekundär: Verfolgung, Widerstand, Neubeginn in Freiburg 1933-1945. Freiburg 1989 2. Aufl.
Recherche und Text : P.K., Projekt STOLPERSTEINE in FREIBURG.