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Alfons Adler

Geboren am 24. März 1881 in Freiburg als Sohn von Adolph und Johanna Adler; er hat noch zwei Brüder, Richard und Siegfried. Verheiratet ist er mit LINA 274 geb. BOLLAG, die am 1. September 1894 in Waldshut auf die Welt kam. Beide Ehepartner haben die jüdische Religion. Zwei Kinder, WERNER ADLER 275 und KURT ADLER 5, werden 1910 und 1918 in Freiburg geboren. Die Familie bewohnt eine 7-Zimmer-Wohnung im 3. Stock des eigenen Hauses Kaiser-Joseph-Str. 169. Den 2. Stock unter ihnen hat sich die Firma Gasser&Hammer für ihre Modewaren angemietet.
Im Erdgeschoss des eigenen Hauses befindet sich das Schuhgeschäft N.A. Adler. Dieser Betrieb ist Teil einer OHG, zu welcher noch ein gleichwertiges Geschäft in der Konstanzer Rosgartenstr. 14 gehört, beide in Eigentum und Besitz der Brüder ALFONS und Richard ADLER. Sie sind am Betriebskapital und Gewinn der Firma je hälftig beteiligt. Das gilt auch für Richard, der bald nach seiner Heirat mit einer Schweizerin aus Kreuzlingen die dortige Staatsbürgerschaft annimmt und damit die ohnehin glänzende Ertragsbilanz beider Geschäfte durch eine neue Stammkundschaft noch erhöht. Sehr frühzeitig jedoch erkennen beide Brüder – die seit der Machtübergabe der Deutschen an die Nazis 1933 – sich zu ihren Ungunsten entwickelnde geschäftlichen Situation: Zuerst die Brandmarkung ihres Betriebs im „Alemannen“ vom 31.3.1938, darauffolgend das Ausbleiben der Kundinnen und Kunden und die schlechtere Belieferung durch die Firmen – und schließlich der spürbare Umsatzrückgang.
ALFONS ADLER ist nervlich aufs Äußerste angespannt und leidet sehr unter der ständigen Bedrückung durch den Nazi-Terror. Er entschließt sich zum Verkauf des Geschäftes. Er handelt schnell: Mitte 1935 gibt er, nach der Abweisung mehrerer Interessenten mit schamlos niedrigen Angeboten, den Zuschlag der Pirmasenzer Schuhhandlung Beyer; diese übernimmt das gesamte Warenlager allerdings zu einem sehr niedrigen Preis, nicht aber die Geschäftseinrichtung, welche nur leihweise übertragen wird. Damit wird die OHG S.A.Adler aber aufgelöst, und ALFONS ADLER verliert damit seinen Anteil am Einkommen der Schuhhandlung seines Bruders in Konstanz.

Nur wenige Jahre kann die Familie von dem Verkaufserlös an Beyer und den Erträgen aus der Vermietung standesgemäß leben, dann bricht Unheil über sie herein:

  •  Vom 10.11.- 26.12.1938 wird ALFONS ADLER zusammen mit seinem Sohn WERNER ADLER mit vielen anderen jüdischen Leidensgenossen verhaftet und in das KZ Dachau verschleppt und dort furchtbar gedemütigt (so wird ihm das Gebiss eingeschlagen); Ziel soll ihre schnellstmögliche Flucht aus Deutschland sein.
  •  Für die darauf erfolgende Austreibung der Juden aus Deutschland werden vom Staat gewaltige Geldmittel von ihnen eingefordert. So ergibt sich alleine die für die „Emigration“ der Familie ADLER bezifferte Summe auf ca. 62.000 RM (Reichsmark), d.h. für die JVA (Judenvermögensabgabe) 40.000 RM, den Golddiskont 6.000 RM, die RflSt (Reichsfluchtsteuer) 15.000 RM, die Auswanderungsabgabe 2.000 RM und 25.000 RM RflSt als Abgabe für den Bruder nach Frankreich. Woher all das Geld aufbringen?

Im April 1939 wird Rosgartenstr. 14 in Konstanz unter „arisierenden“ Bedingungen an die Katholische Stiftungsverwaltung Freiburg verkauft. Der Erlös von 165.000 RM wird dem Sperrkonto von ALFONS ADLER gutgeschrieben, damit dieser die o.g. Geldmittel für seine Emigration (und die seines Bruders Siegfried nach Frankreich) aufbringen kann. Im Gegenzug verzichtet er auf die Gesellschafterrechte vom Haus in der Kaiser-Joseph-Straße zugunsten seiner Brüder – und rettet somit dieses Haus vor dem drohenden Zugriff des NS-Reiches. Denn die jetzigen Eigentümer sind zwar „jüdischer Herkunft“, aber mit schweizer oder französischer Staatsangehörigkeit ausgestattet und damit nicht unmittelbar betroffen. Schon 1939 erhalten ADLERs durch Vermittlung des Bruders von LINA ADLER die Einreiseerlaubnis für Uruguay, doch wird ihre Flucht durch den Kriegsausbruch vereitelt.
Am 22.10.1940 werden ALFONS und LINA ADLER sowie die beiden Söhne in Freiburg verhaftet und in das KZ-Lager Gurs deportiert. Unter den Bedingungen des Krieges und angesichts der überaus harten Unterdrückungen gegenüber der jüdischen Bevölkerung im Lager ist es völlig ungewiss, ob sie jemals in ihre alte Heimat zurückkehren oder den „neuerkauften“ Wohnsitz in Südamerika beziehen können. Doch dann der Weg in die Freiheit: Am 11.2.1941 können sie das KZ-Lager Gurs verlassen und werden in das Lager Camp des Milles in der Nähe von Marseille gebracht. Und gut einen Monat später beginnt, nach einer Eisenbahnfahrt durch Spanien, ihre Auswanderung von Cadiz aus mit der Cabo de Hornos nach Montevideo.

Die glückliche Rettung des Großteils der Familie ist nur möglich geworden durch die finanzielle Unterstützung zuerst durch den Bruder Richard Adler aus der Schweiz, dann von Amerika aus durch LINA ADLERs Schwager Bollag aus Mexico. Doch das Überleben im fremden Land gestaltet sich schwierig: Das Alter von ALFONS ADLER – er ist 60 Jahre alt – , seine angeschlagene Gesundheit, die erlebten Grausamkeiten und völlig unzureichende Sprachkenntnisse des Spanischen lassen für ihn keine Erwerbstätigkeit mehr zu. Dasselbe gilt auch für seine Frau. Einzig der Sohn WERNER ADLER kann als Vertreter einer Werbefirma den entscheidenden Beitrag für das bescheidene Auskommen der Familie beisteuern und eine lange Durststrecke bis zum Erhalt von Entschädigungsleistungen des Nachkriegs-Deutschlands überbrücken.

So scheint die Lebensenergie von ALFONS ADLER sich in nur wenigen Jahren im fremden Land immer mehr zu verflüchtigen. Am 7. Dezember 1948 nimmt er sich in seiner Wahlheimat Montevideo das Leben. Er ist nur 67 Jahre alt geworden. Zwei Abschiedsbriefe an seine Frau und seinen Sohn erklären seine Ausweglosigkeit. Sein langjähriger Steuerberater und Vertrauter Edwin Urban aus Freiburg schließt einen Selbstmord seines Klienten wegen Depressionen nicht aus.

Zusätzliche Anmerkungen:

  • Die Brüder: Richard, Kaufmann in Kreuzlingen; Siegfried, Arzt in Paris.
  • Die 7-Zimmer-Wohnung KaJoStr. 169 wurde von der Gestapo beschlagnahmt und geplündert. Der Rest wurde um die 3.500 RM in der Versteigerung verschleudert, der Ursprungswert wurde verschiedentlich auf wertvolle 6-7.000 Reichs Mark eingeschätzt.
  • Zu den geschäftlichen Dingen: Beim Verkauf von Rosgartenstraße in Konstanz gewährte die Kirche neben dem Verkaufspreis eine Hypothek von 30.000 RM auf das Freiburger Anwesen Kaiser-Joseph-Str. 169, um diesen Besitz vor dem drohenden Zugriff des NS-Staates zu bewahren.
  • Der Verkauf Rosgartenstraße war natürlich unter Wert geschehen, damit ALFONS ADLER die gewaltigen finanziellen Forderungen erfüllen konnte. Damit ist die Frage nach „Verschleuderung“ angerissen. Zwei Verfahren liefen: 1946 wird der notarielle Kaufvertrag der Brüder mit der Kirche als gültig anerkannt und nicht in die Wiedergutmachungsmasse einbezogen. Und später 1950 wird dieses Verdikt durch einen außergerichtlichen Vergleich auch von der Restitutionskammer des LG Freiburg bestätigt (die Brüder wollten weitere 40.000 DM als Restitutionsleistung von der Kirche einfordern).
  • Nachmalige Besitzer von KaJoStr. 169 sind die Kinder von Richard Adler, Rudolf und Hedwig A. in Kreuzlingen. Und heute (2022) ?

Recherche und Text : Peter Künzel, Projekt STOLPERSTEINE in FREIBURG.
Ergänzungen aus persönlichen Gesprächen in Freiburg – mit seinem Enkel Ernesto Adler aus Uruguay – von Marlis Meckel.
Quellen: StAFr., F 196/1-5769, 4263, 4370. Sekundär: BZ vom 15.2.2009.

Born on March 24, 1881, in Freiburg as the son of Adolph and Johanna Adler; he has two more brothers, Richard and Siegfried. He is married to LINA 274 née BOLLAG, who was born on September 1, 1894, in Waldshut. Both spouses have the Jewish religion. Two children, WERNER ADLER 275 and KURT ADLER 5 are born in Freiburg in 1910 and 1918. The family lives in a 7-room apartment on the 3rd floor of their own house Kaiser-Joseph-Str. 169. The 2nd floor below them is rented by the company Gasser&Hammer for their fashion goods. On the first floor of the own house, there is the shoe store N.A. Adler. This business is part of an OHG (general partnership), which also includes an equivalent business at Rosgartenstr. 14 in Constance, both owned and operated by the brothers ALFONS and Richard ADLER. They each have a half share in the working capital and profits of the company. This also applies to Richard, who soon after his marriage to a Swiss woman from Kreuzlingen takes up citizenship there and thus increases the already brilliant profit balance of both businesses by a new regular clientele. However, both brothers recognize very early on – the business situation that has been developing to their disadvantage since the handover of power by the Germans to the Nazis in 1933: first the branding of their business in the „Alemannen“ of March 31, 1938, followed by the absence of customers and the poorer supply by the companies – and finally the noticeable drop in sales.
ALFONS ADLER’s nerves are on edge and he suffers greatly from the constant oppression of the Nazi terror. He decides to sell the business. He acts quickly: in the middle of 1935, after rejecting several interested parties with shamelessly low offers, he accepts the bid of the Pirmasenz shoe store Beyer; this takes over the entire stock of goods, however, at a very low price, but not the business equipment, which is only transferred on loan. With this, however, the OHG S.A.Adler is dissolved, and ALFONS ADLER thus loses his share in the income of his brother’s shoe shop in Constance. For only a few years the family can live on the proceeds of the sale to Beyer and the income from the rent, and then disaster befalls them:

  • From November 10 – December 26, 1938, ALFONS ADLER, together with his son WERNER ADLER, is arrested with many other Jewish fellow sufferers and deported to the Dachau concentration camp, where they are terribly humiliated (for example, his dentures are smashed in); their goal is to escape from Germany as quickly as possible.
  • For the subsequent expulsion of the Jews from Germany, the state demands enormous funds from them. Thus, the sum of money for the „emigration“ of the ADLER family alone amounts to approx. 62,000 RM (Reichsmark), i.e. for the JVA (Judenvermögensabgabe) 40,000 RM, the Golddiskont 6,000 RM, the RflSt (Reichsfluchtsteuer) 15,000 RM, the emigration tax 2,000 RM and 25,000 RM RflSt as tax for the brother to France. Where to raise all this money?

In April 1939 Rosgartenstr. 14 in Constance is sold under „aryanizing“ conditions to the Catholic Foundation Administration Freiburg. The proceeds of RM 165,000 are credited to ALFONS ADLER’s blocked account so that he can raise the above-mentioned funds for his emigration (and that of his brother Siegfried to France). In return, he renounces the shareholder rights of the house in Kaiser-Joseph-Strasse in favour of his brothers – and thus saves this house from the threatening seizure of the Nazi Reich. The current owners, although of „Jewish origin“, have Swiss or French citizenship and are therefore not directly affected. As early as 1939, through the mediation of LINA ADLER’s brother, the ADLERs receive permission to enter Uruguay, but their escape is thwarted by the outbreak of war.

On October 22, 1940, ALFONS and LINA ADLER and their two sons are arrested in Freiburg and deported to the Gurs concentration camp. Under the conditions of the war and because of the extremely harsh oppression towards the Jewish population in the camp, it is completely uncertain whether they will ever be able to return to their old home or move into the „newly purchased“ residence in South America. But then comes the road to freedom: on February 11, 1941, they can leave the Gurs concentration camp and are taken to the Camp des Milles near Marseille. And just over a month later, after a rail journey through Spain, their emigration begins from Cadiz on the Cabo de Hornos to Montevideo.

The happy rescue of the majority of the family was only made possible by the financial support first from her brother Richard Adler in Switzerland, then from America by LINA ADLER’s brother-in-law Bollag in Mexico. But survival in the foreign country is difficult: ALFONS ADLER’s age – he is 60 years old -, his failing health, the cruelties he has experienced and his completely inadequate knowledge of the Spanish language mean that he can no longer work. The same is true for his wife. Only the son WERNER ADLER, as a representative of an advertising company, can make a decisive contribution to the modest livelihood of the family and bridge a long lean period until he receives compensation payments from post-war Germany. Thus, ALFONS ADLER’s vital energy seems to evaporate more and more in just a few years in a foreign country. On December 7, 1948, he takes his own life in his adopted home of Montevideo. He was only 67 years old. Two farewell letters to his wife and son explain his hopelessness. His longtime tax advisor and confidant Edwin Urban from Freiburg does not rule out the suicide of his client due to depression.

STOLPERSTEIN placement for ALFONS ADLER in October 2017 at Kaiser-Joseph-Str. 169 in the presence of his grandson Ernesto Adler from Uruguay.

Additional Notes:

  • The brothers: Richard, merchant in Kreuzlingen; Siegfried, the physician in Paris.
  • The 7-room apartment KaJoStr. 169 was confiscated and looted by the Gestapo. The remainder was sold at auction for around 3,500 RM, the original value was variously estimated at a valuable 6-7,000 Reichs Marks.
  • On business matters: At the sale of Rosgartenstraße in Constance, the church granted a mortgage of 30,000 RM on the Freiburg property Kaiser-Joseph-Str. 169, in addition to the sales price, to protect this property from the threatened seizure by the Nazi state.
  • The sale of Rosgartenstrasse had of course taken place below value so that ALFONS ADLER could meet the enormous financial demands. This touches on the question of „squandering“. Two proceedings were in progress: in 1946 the notarial purchase contract of the brothers with the church was recognized as valid and not included in the reparation mass. And later in 1950, this verdict is also confirmed by the Restitution Chamber of the Freiburg Regional Court through an out-of-court settlement (the brothers wanted to claim a further 40,000 DM as restitution from the church).
  • Subsequent owners of Kaiser-Josef-Str. 169 are the children of Richard Adler, Rudolf and Hedwig A. in Kreuzlingen. And today (2022)?

Research and text : Peter Künzel, Project STOLPERSTEINE in FREIBURG.
Additions from personal conversations in Freiburg – with his grandson Ernesto Adler from Uruguay – by Marlis Meckel.
Sources: StAFr., F 196/1-5769, 4263, 4370. secondary: BZ of 15.2.2009.

La biografía de ALFONS ADLER está todavía en fase de revisión. La pondremos a su disposición lo antes posible.

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