
Jessy Mayer
JESSY MAYER kam am 1. März 1894 in Freiburg zur Welt. Er war der jüngste Sohn von Josephine und Elias Mayer. Sein Vater, der aus Müllheim stammte, hatte 1879 das Freiburger Bankhaus E. Mayer gegründet, das sich schon damals in der Salzstraße 24 befand. Die Familie lebte im gleichen Haus über den Geschäftsräumen. JESSY MAYER hatte fünf ältere Geschwister. Sein ältester Bruder Gustav Mayer war in Freiburg ein bekannter Rechtsanwalt, seine Schwester Selma, die Zweitälteste der Geschwister, war mit Alfred Hauptmann verheiratet, der an der Universität Freiburg einen Lehrstuhl für Medizin innehatte. JESSY MAYER war geschieden, mit seiner Frau hatte er einen Sohn und eine Tochter.
1922 übernahm JESSY MAYER ein Jahr vor dem Tod seines Vaters die Bank. Außer Privatleuten zählten auch größere Industriebetriebe zu ihren Kunden. Bis 1936 soll das Geschäft normal weitergegangen sein. Dann übten die Nationalsozialisten zunehmend Druck auf Kunden aus, keine Geschäfte mehr mit dem „jüdischen“ Bankhaus zu tätigen. Zudem konnten jüdische Kunden manchmal nicht mehr zahlen, weil sie verfolgt wurden oder auswanderten. Aber auch nichtjüdische Kunden blieben der Bank häufiger etwas schuldig. Ein gewisser Herr Trefzger hatte beispielsweise einschließlich Zinsen 15.000 Reichsmark Schulden. Da er jedoch gute Verbindungen zur Nationalsozialistischen Partei hatte, war es zu gefährlich für die Bank, diese Schulden einzutreiben. JESSY MAYER konzentrierte sich auf Grund dieser Schwierigkeiten zunehmend auf reine Auslandsgeschäfte, hauptsächlich auf Transportfinanzierung und Reisescheckverkehr. Damit konnte er das Bankhaus nicht nur retten, sondern den Reingewinn sogar von fast 15.000 Reichsmark im Jahre 1933 auf über 35.000 Reichsmark im Jahre 1936 steigern. Dabei halfen ihm gute Kontakte bis ins Reichswirtschaftsministerium. Da die Nationalsozialisten dringend Devisen benötigten, war JESSY MAYER dort auch als Fachmann mit jüdischer Religion willkommen. Er verhandelte häufig in Berlin mit Bankrat Niemens, der rechten Hand des Reichsfinanzministers Hjalmar Schacht. Die Bedingung war jedoch, dass er über diese Geschäftsbeziehungen absolutes Stillschweigen bewahrte.
Im Oktober 1936 wurde er dennoch auf Betreiben der Devisenstelle Karlsruhe in Berlin verhaftet und nach Freiburg gebracht. Am 31. Oktober wurde er dort der Zollfahndungsstelle vorgeführt, deren Beamte zusammen mit der Gestapo die Räume seiner Bank, JESSY MAYERs Wohnhaus in der Lorettostraße, und sogar das Haus seiner Mutter durchsuchten. Dabei wurde nichts Belastendes gefunden, und nach einem Anruf beim Reichswirtschaftsministerium kam JESSY MAYER wieder auf freien Fuß. Dennoch leiteten die Behörden gegen ihn ein Verfahren wegen Devisenvergehens ein und entzogen ihm am 2. November 1936 den Reisepass. Die Zollfahndungsstelle beschlagnahmte wenige Tage später zwei Grundschuldbriefe über 50.000 Reichsmark. Die Devisenstelle Berlin verlangte von ihm, 175.000 Reichsmark für angeblich entstandenen Schaden an die Golddiskontbank zurückzuzahlen und ließ Pfändungen sowohl in der Bank als auch privat vornehmen. JESSY MAYER versuchte, mit dem Reichswirtschaftsministerium zu verhandeln, um die Sache aufzuklären. Doch als Göring den Machtkampf um die Wirtschaftspolitik gegen Schacht gewann, hatte JESSY MAYER keine Chance mehr, sich gegen die ungerechtfertigten Anschuldigungen zur Wehr zu setzen. Seine Schweizer Geschäftspartner zeigten sich über die Vorgänge entsetzt. Nach diesen Vorfällen fürchtete JESSY MAYER erneute Verhaftungen und Repressalien. Offiziell konnte er das Land jedoch nicht verlassen, da er seinen Reisepass nicht zurückerhalten hatte. Zu diesem Zeitpunkt wohnte er mit seinem 13jährigen Sohn Arno und seiner Mutter Josephine in Freiburg. Seine geschiedene Frau lebte in Kenia, die Tochter war bei Verwandten in Frankreich untergebracht.Am 5. November 1938 entkam JESSY MAYER schließlich mit seinem Sohn über die Schweiz nach Belgien. Um nicht aufzufallen, ließen sie alle Habseligkeiten zurück. Doch auch in Belgien fürchtete er, von den Nazis gefasst zu werden. Daher floh er am 5. April 1939, fünf Monate nach seiner Ankunft in Brüssel, 45 Jahre alt in den Tod. Sein Sohn blieb bei Bekannten in Belgien zurück. Der Mutter gelang es, ihn und seine Schwester nach Kenia zu holen.
Da im März 1939 Josephine Mayer im Alter von 80 Jahren in Freiburg gestorben war und nun kein Familienmitglied mehr vor Ort war, liquidierte der Staat die Bank und zog das gesamte Vermögen ein. Die Grundstücke und Häuser der Familie wurden unter Wert verkauft, das Inventar versteigert. Auch Bankguthaben und Wertpapiere wurden geplündert. Selbst nach nationalsozialistischer Gesetzgebung wäre dies eigentlich nicht möglich gewesen. Das Finanzamt bezahlte von dem eingezogenen Vermögen unter anderem nationalsozialistische Zwangsabgaben wie die ‚Reichsfluchtsteuer‘ oder die ‚Judenvermögensabgabe‘. Nach dem Krieg erhielten die überlebenden Mitglieder der Familie Mayer die Grundstücke und Zwangsabgaben zurück und verkauften das Bankhaus 1954 an den Freiburger Kaufmann Wilhelm Imm. Kein Mitglied der Familie MAYER kehrte nach Deutschland zurück.