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Max Wolf

MAX WOLF wird am 7. Januar 1879 in Freiburg geboren. Seine Eltern sind Joseph Wolf und K(C)asine geb. Augsburger. Bruder Norbert und Schwester Lina wachsen mit ihm auf. Seit 1910 ist er verheiratet mit MARGARETE  HERZBERG 436 geboren am 14. April 1885 in Buckau (Pr.), Tochter von Eduard Herzberg und Olga geb. Heimann. Die junge Familie wohnt zusammen mit WOLFs Eltern in der Röderstr. 4, ihre zwei  Söhne, HERBERT  435  und Felix Edward, werden beide in Freiburg geboren.

MAX WOLF besucht die Oberrealschule bis zum 15. Lebensjahr, um nach der Mittleren Reife die Lehre als Kaufmann im väterlichen Betrieb aufzunehmen. Diesem von Vater Joseph gegründeten Unternehmen Joseph Wolf Textilgroßhandel Roederstr. 4 bleibt er auch nach seiner Lehrzeit treu als ständiger Begleiter seines Vaters in geschäftlichen Dingen; später wird er alleiniger Erbe sein. Allen Belegen nach muss der Betrieb unter der Leitung beider Familienmitglieder außerordentlich erfolgreich gewesen sein. Juristisch handelt es sich um eine OHG, mit MAX WOLF – nach dem Tod seines Vaters –  als alleinigem Gesellschafter. Neben dieser Bindung an die eigene Firma fungiert er noch als Geschäftsführer der Gesellschaft für Baumwollindustrie, einer Textilwaren-Ausrüstungs-GmbH mit Sitz in Lörrach, deren Anteile er zu fast 100% besitzt. So scheint ein jährliches Einkommen von 20.000 – 26.000 Mark allzu plausibel zu sein, welches den umtriebigen Geschäftsmann angemessen entlohnt und ihm und seiner Familie ab den 20er Jahren einen repräsentativen Wohnsitz in Freiburg-Wiehre erlaubt : Urachstr. 37 in einer 6-Zimmer-Wohnung zur Miete, wie er selbst bemerkt „großbürgerlich eingerichtet“, natürlich mit Dienstmädchen, Chauffeur und einem Zweitauto Marke Opel Cabrio, das neben dem Wanderer-Geschäftsauto für private Zwecke benutzt wird (oder umgekehrt).

Von schwierigen Zeiten in den Jahren der Weltwirtschaftskrise ist nirgends die Rede; den erhalten gebliebenen steuerlichen Unterlagen zufolge kann kein geschäftlicher Einbruch nachgewiesen werden. Heftig dann aber der politische Warnschuss im Frühjahr 1933, welcher im Einvernehmen mit der neuen Regierung an alle „jüdischen Unternehmen und Freischaffende“ gerichtet ist : In der Zeitung „ Der Alemanne“ vom 1.4.1933 wird auch die Firma MAX  WOLFs  neben zahlreichen anderen als „jüdischer Betrieb“ genannt mit der Aufforderung an die Lesenden, als rechte „Deutsche“ ihn mit ihrem Boykott zu ächten. Noch hält sich anfangs der geschäftliche Rückgang in Grenzen, und der Besitzer kann auf die lange vertrauensvolle Zusammenarbeit mit von ihm belieferten Einzelfirmen zählen, welche den abrupten Abbruch aller Verbindungen scheuen. Doch auf die Dauer ist der Niedergang unaufhaltsam und beschleunigt sich in den folgenden Jahren erheblich.

Dramatisch dann die Jahre ab 1938 :

  • Auf Grund der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12.11.1938 muss sein Handel mit Manufakturen sofort liquidiert werden.
  • Auf Anordnung der Handelskammer muss MAX  WOLF im November 1938 als Geschäftsführer der Gesellschaft für Baumwollindustrie wegen seiner „jüdischen Rasse“ ausscheiden.
  • Gleichzeitig muss er eine Sperrung seiner Geldkonten hinnehmen und kann nur mit spezifischer Genehmigung des Oberfinanzpräsidenten über sein Geld verfügen.

Obgleich MAX  WOLF wegen seines Alters 1938 nicht verhaftet und in das KZ Dachau verschleppt wird (und dadurch auch nicht auf eine Flucht aus Deutschland „vorprogrammiert“ ist), entschließt sich das Ehepaar WOLF zur Auswanderung. Sohn HERBERT WOLF war schon 1936  in die USA geflüchtet. In seiner Darstellung umreißt er nach dem Krieg die Lage seines Vaters: „Durch persönliche Verfolgung des Nazi-Regimes, die mir dauernde Anzeigen gegen mich, Verhöre auf der Staatsanwaltschaft, Gestapo, dann U-haft einbrachten, war ich gezwungen, meinen Textilgroßhandel Röderstr. 4 aufzugeben, meinen Warenvorrat zu verkaufen, und da damit meine Existenz vernichtet war, am 28.2.1939 auszuwandern …“ Jetzt muss alles verkauft werden – doch die Bedingungen, faire Preise zu erhalten, sind miserabel : Der Verkauf des Lagers (Wert ca. 170.000 Reichsmark) an die Textilmanufaktur Schöpflin/Haagen-Wiesental verläuft ebenso enttäuschend wie die Veräußerung seiner Anteile an der Gesellschaft für Baumwollindustrie. Dasselbe bedrückende Ergebnis auch mit der Verramschung der nicht zur Auswanderung dringendst benötigten Haushaltsgegenstände – überall müssen große finanzielle Opfer hingenommen werden.

Mit gewaltigen Zahlungen an das Deutsche Reich – „Judenvermögensabgabe“ (JVA) von 72.000 Mark, „Reichsfluchtsteuer“ von 100.000 Mark und der „Golddiskontabgabe“ von 6.500 Mark – ebnen sich WOLFs schließlich den Weg aus Deutschland hinaus. Noch wird er mit Verdacht auf Steuervergehen und Geldverschieben ins Ausland zweimal von der Gestapo verhaftet und für 4 Wochen im Untersuchungs-Gefängnis Freiburg einbehalten – aber beide Male von der Staatsanwaltschaft von den Vorwürfen entlastet. Und schließlich sogar von seinem Chauffeur betrogen…

Dann endlich der erste Lichtblick von Freiheit : Die Firma Schenker packt 2 Lifts mit Mobiliar und Hausrat mit der Destination Cincinnati/USA. MAX und MARGARETE WOLF begeben sich zuerst für einige Monate zur Familie seiner Schwester nach Basel und wohnen dort in der Lange Gasse 4; am 28.6. 1939 fliehen sie weiter über Calais nach Bornemouth – und müssen hier Jahre ausharren. Wegen der kriegerischen Ereignisse ist an ein Weiterkommen in die USA nicht zu denken. Erst Februar 1944 (!) endet die Fahrt der beiden von Bristol aus in New York, dann mit der Eisenbahn weiter nach Cincinnati zu Sohn HERBERT und ihrem Lift. Vor dem endgültigen Niederlassen dort 1947 werden noch kurzfristig Wohnungen in Elmhurst/ NY und Key Gardens/NY bezogen.
Noch dreijährige Tätigkeit in den USA als „Arbeiter“ zu sehr geringem Lohn; dann gibt MAX  WOLF die Arbeit aus gesundheitlichen Gründen auf.

MAX WOLF verstirbt am 25. März 1971 in Cincinnati im Alter von 92 Jahren.

In seiner Abwesenheit vollziehen sich

  • im Juni 1941 die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit und
  •  im Dezember 1941 infolge dieser Aberkennung der Einzug des gesamten Vermögens als „dem Reich verfallen“.

Außerordentlich umfangreiche, langwierige, doch für den Antragsteller erfolgreiche Auseinandersetzung mit den involvierten Behörden um eine Wiedergutmachung/ Restitution. Beeindruckend ist eine über 20jährige beharrliche Korrespondenz von den USA aus mit den betreffenden Stellen, oft mit Hilfe der Jurisprudenz und unterstützt von der mit den Jahren großzügiger umgehenden Rechtssprechung als Rechtsgrundlage der Entschädigungspraxis. MAX WOLF bleibt auch von den USA aus, im vorgerückten Alter und auf dem umstrittenen Feld der Wiedergutmachung, ein beachtenswerter und kompetenter, dabei durchaus liebenswürdiger Partner bei der Auseinandersetzung.

Quellen: Staatsarchiv Freiburg, F 196/1 – 3440.

Anmerkungen: Viele Originalquellen in Band 1 der o.g. Quelle (Aberkennung der Staatsbürgerschaft, Einbehalten der Vermögenswerte, Abwicklung der Firma).

MAX WOLF is born on 7 January 1879 in Freiburg. His parents are Joseph Wolf and K(C)asine née Augsburger. Brother Norbert and sister Lina grow up with him. Since 1910 he is married to MARGARETE HERZBERG 436 born on 14 April 1885 in Buckau (Pr.), daughter of Eduard Herzberg and Olga née Heimann. The young family lives with WOLF’s parents at Röderstr. 4, their two sons, HERBERT 435 and Felix Edward, are both born in Freiburg.

MAX WOLF attends the Oberrealschule until the age of 15, in order to start an apprenticeship as a merchant in his father’s business after graduating from secondary school. He remains loyal to the company founded by his father Joseph Wolf Textilgroßhandel Roederstr. 4 after his apprenticeship as a constant companion of his father in business matters; later he will be the sole heir. According to all evidence, the business must have been extraordinarily successful under the management of both family members. Legally, it was a general partnership, with MAX WOLF – after his father’s death – as the sole partner. In addition to this tie to his own company, he also acts as managing director of the Gesellschaft für Baumwollindustrie, a textile finishing company based in Lörrach, of which he owns almost 100% of the shares. Thus, an annual income of 20,000 – 26,000 marks seems all too plausible, which adequately remunerates the go-getting businessman and allows him and his family a prestigious residence in Freiburg-Wiehre from the 1920s onwards : Urachstr. 37 in a 6-room flat for rent, as he himself remarks „furnished in an upper middle-class manner“, of course with maid, chauffeur and a second car of the Opel Cabrio brand, which is used for private purposes alongside the Wanderer business car (or vice versa).

There is no mention of difficult times in the years of the world economic crisis; according to the tax documents that have been preserved, there is no evidence of a business slump. However, the political warning shot in the spring of 1933, which is addressed to all „Jewish companies and freelancers“ in agreement with the new government, is severe: in the newspaper „Der Alemanne“ of 1 April 1933, MAX WOLF’s company is named among many others as a „Jewish company“ with the request to the readers, as right-wing „Germans“, to ostracise it with their boycott. At the beginning, the decline in business is still limited, and the owner can count on the long and trusting cooperation with the individual companies he supplies, which shy away from the abrupt severance of all connections. But in the long run, the decline is unstoppable and accelerates considerably in the following years.

The years from 1938 onwards were dramatic:

– Due to the „Ordinance for the Elimination of Jews from German Economic Life“ of 12.11.1938, his trade with manufactories has to be liquidated immediately.

– By order of the Chamber of Commerce, MAX WOLF has to resign as managing director of the Gesellschaft für Baumwollindustrie in November 1938 because of his „Jewish race“.

– At the same time he has to accept a blocking of his cash accounts and can only dispose of his money with the specific permission of the Chief Finance President.

Although MAX WOLF is not arrested and deported to the Dachau concentration camp in 1938 because of his age (and thus is not „pre-programmed“ to flee Germany), the WOLF couple decides to emigrate. Son HERBERT WOLF had already fled to the USA in 1936. In his account after the war, he outlines his father’s situation: „Due to personal persecution by the Nazi regime, which brought me constant charges against me, interrogations at the public prosecutor’s office, Gestapo, and then imprisonment, I was forced to give up my textile wholesale business at Röderstr. 4, sell my stock of goods, and since this destroyed my existence, emigrate on 28 February 1939…“. Now everything has to be sold – but the conditions to get fair prices are miserable : The sale of the stock (worth about 170,000 Reichsmark) to the textile manufacturer Schöpflin/Haagen-Wiesental is just as disappointing as the sale of his shares in the Gesellschaft für Baumwollindustrie. The same depressing result with the selling off of household goods not urgently needed for emigration – everywhere great financial sacrifices have to be accepted.

With huge payments to the German Reich – „Judenvermögensabgabe“ (JVA) of 72,000 marks, „Reichsfluchtsteuer“ of 100,000 marks and the „Golddiskontabgabe“ of 6,500 marks – WOLFs finally pave their way out of Germany. He is arrested twice by the Gestapo on suspicion of tax offences and shifting money abroad and held for four weeks in the Freiburg remand prison – but both times he is cleared of the charges by the public prosecutor’s office. And finally even betrayed by his chauffeur…

Then finally the first ray of hope of freedom: The Schenker company packs 2 lifts with furniture and household goods with the destination Cincinnati/USA. MAX and MARGARETE WOLF first go to his sister’s family in Basel for a few months and live there at Lange Gasse 4; on 28 June 1939 they flee via Calais to Bornemouth – and have to stay there for years. Due to the events of the war, there was no chance of them making it to the USA. It was not until February 1944 (!) that the journey of the two from Bristol ended in New York, then on by rail to Cincinnati to their son HERBERT and their lift. Before finally settling down there in 1947, they briefly move into flats in Elmhurst/ NY and Key Gardens/NY.

Three more years of work in the USA as a „labourer“ for very little pay; then MAX WOLF gives up work for health reasons.

MAX WOLF dies on 25 March 1971 in Cincinnati at the age of 92.

In his absence occured:

– the deprivation of his German citizenship in June 1941, and

– In December 1941, as a result of this deprivation, all his assets are confiscated as „forfeited to the Reich“.

Exceptionally extensive, protracted, but for the applicant successful dispute with the authorities involved about restitution. Impressive is more than 20 years of persistent correspondence from the USA with the authorities concerned, often with the help of jurisprudence and supported by the more generous jurisdiction over the years as the legal basis for compensation practice. Even in the USA, at an advanced age and in the controversial field of reparations, MAX WOLF remains a noteworthy and competent, and at the same time thoroughly amiable, partner in the dispute.

STOLPERSTEIN laying for MAX WOLF in October 2017 at Urachstr. 37.

Sources: Staatsarchiv Freiburg, F 196/1 – 3440.

Anmerkungen: Viele Originalquellen in Band 1 der o.g. Quelle (Aberkennung der Staatsbürgerschaft, Einbehalten der Vermögenswerte, Abwicklung der Firma).

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