Entstehung der STOLPERSTEINinitiative

Geschichte und Arbeit des Projekts „STOLPERSTEINE in FREIBURG“
Mein „Herzensprojekt“, die STOLPERSTEINE in Freiburg, schenkte ich mir 2002 zu meinem 60. Geburtstag. Einer meiner Gäste in Freiburg dabei war Gunter Demnig. Als Geschenk brachte er mir den ersten in Freiburg verlegten STOLPERSTEIN mit. Es war der Stein für PROF. DR. ROBERT LIEFMANN. Sein Haus, und das seiner zwei Schwestern, steht noch heute in der Goethestr. 33. Nach ihrer Verhaftung und Deportation am 22. Oktober 1940 wurde das Haus zur GESTAPO-Zentrale. Gunter Demnig ist der Initiator des mittlerweile europaweiten Projekts der STOLPERSTEINE mit ca. 80.000 verlegten Steinen in 1.800 Städten und Gemeinden (Freiburg war die 11. Stadt) in 26 Ländern.

Den Stein für ROBERT LIEFMANN setzte Gunter Demnig am 22. Oktober 2002, zusammen mit vielen SchülerInnen und FreundInnen des Projekts und damals noch ohne offizielle Genehmigung, in den Bürgersteig vor dem Haus der LIEFMANNs ein. Damit begann die Geschichte der Freiburger STOLPERSTEINInitiative.

STOLPERSTEINE sind fast 10X10X10 cm große Betonwürfel mit einer Messingplatte, auf die der VORNAME, NACHNAME, JAHRGANG und das Lebensschicksal der jeweiligen Verfolgten unter dem Nazi-Terror mit Schlagbuchstaben eingehämmert wird. Am 10. Dezember 2002 wurde der Antrag zur Verlegung weiterer Steine, gestellt im März d. J., einstimmig vom Freiburger Gemeinderat genehmigt. Ende Januar 2003 erfolgte die Verlegung der ersten STOLPERSTEINE in Freiburg.Weitere 21 Verlegungen folgten bis September 2020.

Heute (2020) liegen in Freiburgs Bürgersteigen 460 STOLPERSTEINE für Angehörige der einzelnen Opfergruppen während der Nazi-Zeit. Dazu gehören Politisch Verfolgte, Menschen mit jüdischer Religion und diejenigen, die durch die unmenschlichen „Rassegesetze“ zu Juden erklärt wurden, als „Zigeuner“ verfolgte Sinti und Roma, körperlich oder geistig Beeinträchtigte und als „Asozial“ Stigmatisierte, Zeugen Jehovas (damals „Bibelforscher“) und nach §175 Verfolgte und Verurteilte.

Durch die intensive Recherche-Arbeit zu den Schicksalen der verfolgten ehemaligen FreiburgerInnen wurde mir die Notwendigkeit der Einrichtung eines NS-Dokumentationszentrums zur Bewahrung ihrer Biografien bewusst. Seitdem habe ich intensiv an der Realisierung dieses Projekts gearbeitet. Im Frühjahr 2005 begann ich mit Führungen zu den verlegten STOLPERSTEINEN für Schulklassen, Jugendgruppen, politische und kirchliche Gruppierungen und private Gruppen. Die sehr positive Resonanz und die Nachfrage überraschten mich. Von Juni bis September 2005 arbeitete ich an meinem Buch: „Den Opfern ihre Namen zurückgeben“, das 2006 erschien. Dieses Buch beinhaltet 280 kurze und längere Biografien von Freiburger Opfern des Nazi-Terrors. Ende 2005 wurde das ehrenamtliche Team um den Historiker Peter Künzel erweitert, der seitdem die Recherche in den Archiven durchführt und die Textungen der Biogramme verfasst. 2012 kam Silvia Böhm-Steinert dazu, die schwerpunktmäßig an der Erfassung der Schicksale von „Euthanasie-Opfern“ arbeitet. Seit 2018 arbeitet auch der angehende Lehrer Clemens Hermann Wagner in unserer Initiative mit.

Die mehr als 700 STOLPERSTEIN-Führungen von mir wurden am Anfang kostenfrei durchgeführt, doch gab es freiwillige Spenden für das Projekt bzw. für neue STOLPERSTEINE. Die Herstellungskosten für die aufwendig handgefertigten Steine belaufen sich jetzt auf 120.- €. Dieser Betrag konnte bislang durch eingegangene Spenden für Führungen und Vorträge erwirtschaftet werden. Durch die Pandemie-bedingten Einschränkungen ist das nun nicht mehr möglich. Dennoch möchten wir sehr gerne weiter STOLPERSTEINE im bisherigen Umfang verlegen. Durch die seit 2006 bestehende Webseite des Freiburger STOLPERSTEIN-Projekts konnten weltweit Beziehungen zu den Angehörigen/ Nachkommen der Freiburger Opfer aufgebaut und vertieft werden. So zu Verwandten u.a. aus Großbritannien, Schweden, USA, Israel, Australien, Uruguay und natürlich in vielen Orten Deutschlands.

Auch das Projekt „Nazi-Terror gegen Jugendliche“ im Jahr 2008wurde von mir mitinitiiert. Die angebotenen Seminare, „Rallyes“ zu den STOLPERSTEINEN u. v. mehr wurden von mehr als 3.000 SchülerInnen und Erwachsenen wahrgenommen. Im Jahr 2009 konnte ich, mit Unterstützung durch die Stadt Freiburg, den „Zug der Erinnerung“ nach Freiburg holen. Der von einer Dampflok gezogene Ausstellungszug zum NS-Terror wurde in dreieinhalb Tagen von 7.500 Interessierten, darunter vielen Schulklassen, besucht.

Vom STOLPERSTEIN-Projekt vorgeschlagen kamen auf Einladung der Stadt Freiburg im Jahr 2017 fast 50 Angehörige /Nachkommen aus damals verfolgten Freiburger Familien in die Stadt ihrer Vorfahren zurück : Ein berührendes Erlebnis für alle Beteiligten.

Das nachhaltige STOLPERSTEIN-Projekt in Freiburg, das mithelfen möchte, den Opfern und ihren Nachkommen ihre Namen und ihre Würde zurückzugeben, hat in der Zeit seines Bestehens versucht, dieser Verpflichtung nachzukommen. Um auch in Zukunft diese wichtige Aufgabe erfüllen zu können, ist das Projekt – gerade in Zeiten wie dieser – auf Unterstützung angewiesen und unsere Initiative ist dafür dankbar.

Freiburg, den 17. Oktober 2020           MARLIS MECKEL